Joerg Schroeter
2005-04-29 10:00:16 UTC
http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID4296136_NAV_REF1,00.html
Von Martin Fritz, ARD-Hörfunkstudio Tokio
Wo liegt ein großer Unterschied zwischen Japanern und Deutschen? Japaner
erwarten, dass ein Zug pünktlich kommt. Deutsche nicht. Japaner sind
sogar regelrecht besessen von der Pünktlichkeit ihrer Bahnen, dem
wichtigsten Transportmittel des Landes. Zum Beispiel bei den Shinkansen,
den Superschnellzügen. Ihre durchschnittliche Verspätung beträgt derzeit
- sechs Sekunden.
Dennoch will das Unternehmen noch pünktlicher werden. Was die wenigsten
ahnen: Die Angestellten der Bahnunternehmen zahlen dafür einen hohen
Preis. Denn sie werden teilweise hart dafür bestraft, wenn ihre Züge
nicht auf die Sekunde genau abfahren.
Verhöre, Beschimpfung und Strafaktionen
Bei der japanischen Eisenbahngesellschaft JR West werden Fahrer und
Schaffner mit Verspätungen in einer Nachschulung psychisch derartig
gequält, dass japanische Anwälte offen von Menschenrechtsverletzungen
sprechen. Bei der Nachschulung werden die Angestellten zum Beispiel
nächtelang verhört und dabei heftig beschimpft.
Manche müssen sinnlose Berichte schreiben oder stundenlang Unkraut
jäten. Andere müssen an einem Bahnhof die Fahrer jedes Zuges grüßen und
werden auf diese Weise an den Pranger gestellt. Mehrfachtäter müssen
sich schriftlich dazu verpflichten, bei erneutem Fehlverhalten ihren Job
zu kündigen.
Die Nachschulung ist so grausam, dass mehrere Bahnangestellte sich
danach selbst töteten. Vor vier Jahren beging ein Lokführer Selbstmord,
der wegen einer Verspätung von 50 Sekunden drei Wochen nachgeschult wurde.
Angst mit tödlichen Folgen?
Zugunglück in Amagasaki, Japan (Foto: REUTERS) Großansicht des Bildes
[Bildunterschrift: Entgleist und in ein Hochhaus gerast: Pendlerzug in
Amagasaki]
Diese Zwangsmethoden sind nach Ansicht der Eisenbahnergewerkschaft auch
der Grund für das Zugunglück am Montag, der größten Bahnkatastrophe in
Japan seit mehr als 40 Jahren. Über 100 Fahrgäste starben, als ein
vollbesetzer Pendlerzug in ein neunstöckiges Wohnhaus raste. Die
Unglücksursache: Der 23-jährige Fahrer war viel zu schnell in eine
scharfe Kurve gefahren.
Als seine Leiche gestern geborgen wurde, hielt seine Hand noch die
Bremse umklammert. Sein Motiv für die Raserei: Er wollte 90 Sekunden
Verspätung aufholen. Der Vizechef der Eisenbahnergewerkschaft, Osamu
Yomono, weist darauf hin, dass der Fahrer bereits eine 13-tägige
Nachschulung mitgemacht hat: "Ich bin mir ziemlich sicher, dass er eine
solche Behandlung in seinem ganzen Leben nicht noch einmal erleben
wollte. Er hat daher verzweifelt versucht, die Verspätung aufzuholen, um
dieser schrecklichen Strafe zu entgehen, deshalb fuhr er so schnell."
Die großen japanischen Zeitungen und Fernsehsender haben über diese
Tatsache bisher nicht berichtet - möglicherweise auf Druck der
japanischen Bahngesellschaft JR West, die Klagen von Opfern und
Angehörigen fürchten muß. Aus dem Unglück lernen will der Betreiber aber
nicht: Als erstes japanisches Bahnunterunternehmen hat JR West gerade
einen neuen Leistungsfaktor eingeführt, der sich auf die Formel
verkürzen läßt: Je pünktlicher die Züge, desto höher die Löhne.
Von Martin Fritz, ARD-Hörfunkstudio Tokio
Wo liegt ein großer Unterschied zwischen Japanern und Deutschen? Japaner
erwarten, dass ein Zug pünktlich kommt. Deutsche nicht. Japaner sind
sogar regelrecht besessen von der Pünktlichkeit ihrer Bahnen, dem
wichtigsten Transportmittel des Landes. Zum Beispiel bei den Shinkansen,
den Superschnellzügen. Ihre durchschnittliche Verspätung beträgt derzeit
- sechs Sekunden.
Dennoch will das Unternehmen noch pünktlicher werden. Was die wenigsten
ahnen: Die Angestellten der Bahnunternehmen zahlen dafür einen hohen
Preis. Denn sie werden teilweise hart dafür bestraft, wenn ihre Züge
nicht auf die Sekunde genau abfahren.
Verhöre, Beschimpfung und Strafaktionen
Bei der japanischen Eisenbahngesellschaft JR West werden Fahrer und
Schaffner mit Verspätungen in einer Nachschulung psychisch derartig
gequält, dass japanische Anwälte offen von Menschenrechtsverletzungen
sprechen. Bei der Nachschulung werden die Angestellten zum Beispiel
nächtelang verhört und dabei heftig beschimpft.
Manche müssen sinnlose Berichte schreiben oder stundenlang Unkraut
jäten. Andere müssen an einem Bahnhof die Fahrer jedes Zuges grüßen und
werden auf diese Weise an den Pranger gestellt. Mehrfachtäter müssen
sich schriftlich dazu verpflichten, bei erneutem Fehlverhalten ihren Job
zu kündigen.
Die Nachschulung ist so grausam, dass mehrere Bahnangestellte sich
danach selbst töteten. Vor vier Jahren beging ein Lokführer Selbstmord,
der wegen einer Verspätung von 50 Sekunden drei Wochen nachgeschult wurde.
Angst mit tödlichen Folgen?
Zugunglück in Amagasaki, Japan (Foto: REUTERS) Großansicht des Bildes
[Bildunterschrift: Entgleist und in ein Hochhaus gerast: Pendlerzug in
Amagasaki]
Diese Zwangsmethoden sind nach Ansicht der Eisenbahnergewerkschaft auch
der Grund für das Zugunglück am Montag, der größten Bahnkatastrophe in
Japan seit mehr als 40 Jahren. Über 100 Fahrgäste starben, als ein
vollbesetzer Pendlerzug in ein neunstöckiges Wohnhaus raste. Die
Unglücksursache: Der 23-jährige Fahrer war viel zu schnell in eine
scharfe Kurve gefahren.
Als seine Leiche gestern geborgen wurde, hielt seine Hand noch die
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wollte. Er hat daher verzweifelt versucht, die Verspätung aufzuholen, um
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--
Email an joesch (Punkt) ro [at] T-online (de)
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http://www.modellbahncenter-minich.de - der etwas anders gut sortierte
Modellbahnshop
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